Aktuell Ägypten 20. Mai 2018

"Als Fotograf gebe ich denen eine Stimme, die keine haben"

Porträtfoto von Mahmoud Abu Zeid, nachts aufgenommen auf einer Straße

Er sitzt seit mehr als vier Jahren in Untersuchungshaft, nur weil er Fotos von Protesten machte: Mahmoud Abu Zeid, auch bekannt als Shawkan, wurde 2013 in Kairo verhaftet, als er einen Sitzstreik für den gestürzten ägyptischen Präsidenten Mursi dokumentierte. Gegen den Fotojournalisten werden konstruierte Vorwürfe erhoben und seine Gerichtsanhörung wurde immer wieder vertagt. Im Gefängnis wurde er gefoltert. Nachdem die UNESCO Ihn mit dem Preis für Pressefreiheit geehrt hatte, beschwerten sich ägyptische Offizielle darüber massiv.  Amnesty International hat im Rahmen des Briefmarathons 2016 Briefe an Shawkan geschickt und seine Freilassung  gefordert. Jetzt hat er einen Brief aus dem Gefängnis geschrieben.

Überraschung!

(1)

Ich sitze mit meinem Mitgefangenen zusammen und denke an nichts.

Die tägliche Eintönigkeit.

Da hör’ ich im Radio, dass der ägyptische Außenminister sein Bedauern darüber äußert, dass ich den UNESCO-Preis für Pressefreiheit erhalten habe.

Das löste in mir zwei Gefühle aus … Freude und Trauer.

Ich habe mich gefreut über das Vertrauen, das die UNESCO in mich setzt und über die weltweit bedeutendste Auszeichnung für Pressefreiheit.

Doch gleichzeitig war ich traurig darüber, dass Mitmenschen, die dieselbe Hautfarbe haben wie ich, darüber enttäuscht sind, dass ich diese Auszeichnung erhalten habe.

Enttäuschung reichte ihnen aber noch nicht. Sie haben mich diffamiert und schlecht gemacht, mich einen "Kriminellen" und "Terroristen" genannt und mir vorgeworfen, Geld aus Katar erhalten zu haben, obwohl ich in Kuwait geboren wurde und auch dort aufgewachsen bin.

Mein Beruf hat nichts mit Terrorismus oder Verbrechen zu tun; als Fotograf gebe ich denen eine Stimme, die keine Stimme haben.

Lass das Außenministerium in dasselbe Horn blasen wie das Innenministerium.

Die einen machen’s vor, die anderen nach, so ist das eben.

Mein Beruf hat nichts mit Terrorismus oder Verbrechen zu tun; als Fotograf gebe ich denen eine Stimme, die keine Stimme haben.

Mahmoud Abu
Zeid
ägyptischer Fotojournalist

(2)

Aber wie?

Reicht es nicht aus, wenn die Gesetzgebung unsere Beziehungen und unser Leben reguliert?

Da ich nach dem Prinzip der Unschuldsvermutung vor dem Gesetz unschuldig bin – jeder Angeklagte gilt als unschuldig, bis seine Schuld bewiesen ist – wie können mich Staatsvertreter für schuldig erklären, bevor es das Gericht tut?

Was ist, wenn ich freigesprochen werde? Oder soll diese Vorverurteilung die Entscheidung des Gerichts beeinflussen?

Dunkelheit! Und Unrecht!

(3)

Wie kann ein Staat oder ein Quasistaat – wie der Präsident ihn in einer Rede einmal genannt hat – verlangen, dass Gesetze respektiert werden, wenn er der erste ist, der sie verletzt?

Warum wiederholen andere Journalistinnen und Journalisten einfach das, was die Behörden über mich sagen, obwohl ich erst vor einem Monat vom Journalistenverband ausgezeichnet wurde?

Widersprüche!

(4)

Ich möchte der Generaldirektorin der UNESCO, Audrey Azoulay, die wie ich früher Fotografin war, und dem Sekretariat der UNESCO für die Auszeichnung danken.

Auch dem International Press Institute möchte ich dafür danken, dass sie mich für die Auszeichnung nominiert haben.

Und meinen Mentoren und Kolleginnen und Kollegen, die mich unterstützen und seit meiner Festnahme an meine Unschuld glauben.

Küsse an meine Familie und an meine Liebe und meine Freunde.

Ich widme diesen Preis Radwa und Gad.

Herzliche Grüße!

 

Shawkan

25. April 2018, ein Kairoer Gefängnis

 

 

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